04 May 2020

Führen in der Krise

"Was uns bewegt und was es braucht, damit wir mit Unsicherheiten besser umgehen und in Organisationen den Zusammenhalt stärken."

Erzwungene Veränderungen akzeptieren

Wir alle habe sicher schon in einer bestimmten Lebensphase eine berufliche oder persönliche Krise durchlaufen und gemeistert. „An Krisen können wir wachsen“, heißt es umgangssprachlich so schön lapidar. Doch die Corona-Krise ist anders. Sie ist neu und hat die Gesellschaft in einer, noch im Februar 2020, unvorstellbaren Dimension in allen Lebensbereichen getroffen. Normalität bedeutet aktuell, dass viele Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten des Alltags nicht mehr normal sind.

Die einschneidenden Veränderungen der zurückliegenden 2 Monate sind infolge der Pandemie politisch erzwungen. Disruptive Veränderungen geschehen überwiegend durch äußere Einflüsse, durch veränderte Umwelt- und Rahmenbedingungen. Diese hat das Virus geschaffen. Und es wird uns und unser berufliches Wirken auf unbestimmte Zeit begleiten. Das müssen wir akzeptieren, ob wir wollen oder nicht. Je schneller Organisationen und wir selbst den Realitätsbezug herstellen konnten, desto besser. Die funktionierende Handlungs- und Steuerungsfähigkeit war abzulesen an der hohen Geschwindigkeit, in der Organisationsprozesse und das Alltagsleben an die Infektionsschutzregeln angepaßt wurden. Da wo es notwendig und sinnvoll erschien, hielt die Home-Office Lösung als zweckgebundenes Allheilmittel für Arbeits- und Kommunikationsprozesse Einzug. Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens in Hochgeschwindigkeit. Die zum Teil radikalen Veränderungen schaffen jedoch auch Unsicherheit und Unzufriedenheit und zwar für alle Beteiligten. Im Job und im Privatleben. Für Arbeitgeber, Führungskräfte und Angestellte gleichermaßen. 

Den Umgang mit Unsicherheit lernen

Krisenmanagement ist die Königsdisziplin unter den Führungsaufgaben, mit einer hohen Verantwortung für meine Organisation, das Familienunternehmen, mein Team oder meine eigene Selbstständigkeit. „Wer sich in der Politik als Krisenmanager bewährt, ist zu Höherem berufen“ (KSTA vom 02./03. Mai 2020). Jetzt geht es für die meisten Führungskräfte wahrscheinlich nicht um den nächsten Karrieresprung, sondern um die Bewältigung und Gestaltung der beruflichen Aufgaben in dieser Ausnahmephase. Als Führungskraft jonglieren wir per se mehrere Bälle gleichzeitig. In der Krise kommt verschärfend hinzu, dass wir mit der geballten Ladung an Unsicherheiten, Existenz- und Verlustängsten sowie individuellen Bedürfnissen unserer MitarbeiterInnen und Mitarbeiter konfrontiert werden. Und mal so nebenbei, wie geht es mir eigentlich damit? Da kann aus der Herausforderung auch schnell eine Überforderung werden.

Was hilft weiter?

Zu allererst eine gesunde Selbstführung. Das bedeutet, mich mit meinen Gefühlen, Gedanken und Empfindungen als Mensch ernst zu nehmen. Mein körperliches Wohlbefinden gut zu beobachten und zu stärken. Genau hinzuschauen, was mich gerade besonders beschäftigt, psycho-emotional belastet und wie ich den vielen Aufgaben, Eindrücken und Erlebnissen in meiner Führungsrolle die notwendige Struktur und Priorität geben kann. Krisen sind exponentiell gesteigerte Stresssituationen über einen längeren Zeitraum. Das heißt, ich brauche nun besonders dringend eine gute Balance zwischen Leistungsvermögen und Selbstregulation/Selbstfürsorge, Leistungs- und Erholungsphasen. Wenn ich als Führungskraft meine Energie und Stabilität, den inneren Kompaß verliere, kann ich nach Außen keine Orientierung und Sicherheit geben. Resilienz, also die innere Widerstandskraft der Seele, wird zum neuen Zaubertrank.

In Kontakt gehen

Die wohl immer noch unterschätzteste Führungskompetenz ist die Beziehungsgestaltung zu den Kolleginnen und Kollegen. All die bereits getroffenen und noch anstehenden Anpassungen und Vereinbarungen wollen gut kommuniziert werden, aber vor allem möchte sich das Team auch gehört und eingebunden erleben. Das gewichtet die Rollen als Führungskraft noch einmal neu. So vielfältig wie das Team, so vielfältig sind die persönlichen Motive und Wünsche für die Gestaltung der Zusammenarbeit im Krisenmodus und auf dem Weg in eine neue Corona-Arbeitsnormalität. Ihre individuelle Vorgehensweise als Führungskraft ist damit auch immer ein Teil der Unternehmenskultur und Ihrer Werte. Wie geht es weiter mit Home-Office? Welche Meetings wollen virtuell, welche analog abgehalten werden? Welche Prozesse haben sich bewährt? Wo gibt es Störungen, Irritationen, Konfliktpotential? Welche positiven und negativen Erfahrungen in der Zusammenarbeit haben wir gemacht? Was davon ist erhaltenswert und was vermissen wir? Was sollte unbedingt reaktiviert werden und wovon können wir uns gemeinsam verabschieden?...

Sie sehen, Fragen gibt es genug und das ist erst der Anfang. Auf Vieles haben wir noch keine Antworten. Und der Planungshorizont reicht heute bis zur nächsten bundesweit verordneten Regelung und deren direkter oder indirekter Auswirkungen auf die Organisation. Auch das, läßt sich kommunizieren.

Tipp: In meinem Podcast Führungsdialog (itunes, spotify, podcast.de), den ich gemeinsam mit Andreas Seitz gestalte, setzen wir uns mit aktuellen Führungsfragen auseinander. Und so viel sei schon vorweggenommen, wir werden dort das Thema „Selbstführung“ in einer der nächsten Folgen vertiefen.